Doris Mann im Interview

Gespräch mit Doris Mann

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Dolmetschen macht verständlich:
das Gesagte und vor allem das Gemeinte.

Doris Mann dolmetscht. Vertrauliche Verhandlungen im kleinen Kreis, Aufsichtsratssitzungen, mehrtägige Fachkongresse und Konferenzen, bekannte Persönlichkeiten und für das deutsche Fernsehen auch das Oberhaupt des britischen Königshauses. Im Interview erzählt sie, worauf es beim Dolmetschen ankommt, was Veranstalter bei der Auswahl eines Dolmetschers beachten können, wie es ist, wenn einem George Clooney zuhört und was es mit „Tribologie“ auf sich hat. 

Frau Mann, Sie dolmetschen. Worauf kommt es dabei an?  

Beim Dolmetschen kommt es in kürzester Zeit auf sehr viel an: hochkonzentriertes Zuhören, schnelles Verstehen, die Tonlage berücksichtigen, Mimik beachten und Formulierungen wählen, die in der Zielsprache genau das ausdrücken, was vermittelt werden soll. Nur wenn all das in Bruchteilen von Sekunden gelingt, versteht der Zuhörer das Gesagte auch so, wie es vom Redner wirklich gemeint ist. Dafür ist eine hohe Sprachkompetenz einfach Voraussetzung. Als gute Dolmetscherin geht man mit dem Redner mit. „Sich selbst ausschalten und in den Kopf des Redners versetzen“, so umschreibe ich es gerne.

Dolmetschen sollte also mehr sein, als Gesagtes live in einer anderen Sprache zu wiederholen?

Aber ja, unbedingt! Eine erfahrene Dolmetscherin sorgt für die korrekte Übertragung von Inhalten, so dass die Botschaft dahinter verstanden wird. Sie garantiert, dass Argumente genauso überzeugend ankommen, wie sie geäußert werden und sichert damit ein authentisches Auftreten des Redners. Mitunter entscheiden gerade diese Nuancen über die Atmosphäre und den Verlauf eines Gesprächs, ob der Geschäftsabschluss gelingt oder wie gewinnend sympathisch man in einer fremden Sprache „rüberkommt“.

Verstanden. Was braucht es, damit genau das gelingt?

Man muss wissen, wovon gesprochen wird. Als Dolmetscherin brauchen sie eine gewisse Fachkompetenz, müssen sich auskennen, im Thema sein. Aber das ist eigentlich selbstverständlich. Damit es tatsächlich rund wird, bedarf es Einfühlungsvermögens für Situationen, Branchen und Menschen. Ich nenne es „sprachliches und emotionales Fingerspitzengefühl.“

„Man dolmetscht Stimmen und Stimmungen.“

Was ist noch wichtig?

Die Soft Skills. Wir sind Sprachmittler zwischen Menschen, dolmetschen Stimmen und transportieren Stimmungen. Ein feines Gespür ist hierfür unabdingbar – vor allem bei Verhandlungen im kleinen Kreis und insbesondere, wenn die Gesprächspartner sich nicht wohl gesonnen sind. Immer gut tut auch eine professionelle Gelassenheit, die auf das Umfeld eine entspannende Wirkung hat. Der Kunde weiß dann, dass es läuft.

Weshalb man Sie auch gerne für Einsätze engagiert, bei denen es auf jede Nuance ankommt.

Genau. Es ist ein großer Unterschied, ob man sachlich eine Bilanzpressekonferenz dolmetscht oder die Begeisterung eines Astrophysikers transportiert, der voller Überzeugung seine – seinerzeit noch unbewiesene – Gravitationswellen-Theorie vorstellt. Als ich ein Jahr später im Autoradio gehört habe, dass der Nachweis gelungen ist, hab´ ich laut gejubelt.

Worauf kann man als Veranstalter bei der Auswahl eines Dolmetschers achten?

Als erstes auf die fachliche Qualifikation, denn „Dolmetscher“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Wenn die Dolmetscherin ein entsprechendes Diplom oder einen offiziellen Abschluss hat, können Sie von einer fundierten Ausbildung ausgehen.

Warum ist das von Bedeutung?
Weil Sie dann voraussetzen können, dass da jemand dolmetscht, der praxisnah trainiert und auch einmal im Land der Sprache gelebt hat, der mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden zurechtkommt, erforderliche Dolmetsch-Techniken beherrscht, der sprachliche und kulturelle Unterschiede berücksichtigt, die auch in alltägliche Redewendungen eingegangen sind. Der englische Muttersprachler könnte zum Beispiel mit der deutschen Metapher „Eulen nach Athen tragen“ nichts anfangen, weil man das im Englischen eben mit „Kohlen nach Newcastle tragen“ ausdrückt.

„Qualifizierte Dolmetscher beseitigen Sprachbarrieren und liefern komplette Lösungen.“

Was sollte man noch beachten?
Die professionelle Vorgehensweise. Das heißt: persönliche Erreichbarkeit, zeitnahes Reagieren auf Ihre Anfrage. Zudem sollte man Sie umfassend zum Thema Dolmetschen beraten und Referenzen nennen können. Versteht der Dolmetscher schon beim Erstgespräch Ihren Anlass, die sprachlichen Herausforderungen und letztlich: Wird Ihnen eine Lösung angeboten, bei der Sie ein gutes Gefühl haben?

Das Handwerkszeug der Dolmetscherin ist die Stimme.

Richtig. Am besten eine Stimme, die anspricht, sich nicht in den Vordergrund drängt, die auch nach vielen Stunden als angenehm empfunden wird, der man gerne und entspannt zuhört.

„Bei George Clooney hilft dasselbe wie bei Queen Elizabeth.“

Sie haben Queen Elizabeth gedolmetscht, wann klingt eine Stimme majestätisch? 
Als Souverän präsentiert sich die Queen stets kontrolliert, unter anderem dadurch, wie sie spricht. Deshalb muss auch die Verdolmetschung erhaben und immer kontrolliert, eben royal klingen. Wenn die deutsche Stimme von Queen Elizabeth nervös ins Zittern käme, wäre das wenig souverän. Es braucht professionelle Gelassenheit.

Hat die auch bei George Clooney geholfen? 

Also, es kommt nicht jede Woche vor, dass Herr Clooney gerade meine Stimme im Ohr hat, und mir mit seinem wirklich charmanten Lächeln zuhört…  Ja, gerade dann bleibt man professionell gelassen. Und freut sich später.

Fachkongresse sind da weniger spannend.

Finde ich nicht, ganz im Gegenteil: Heute steht man vor zerlegten Luxusfahrzeugen und dolmetscht ein technisches Training für Automotive-Fachkräfte, morgen geht es um Innovationen in der Präzisions-Messtechnik, danach ein Symposium zum Thema Tribologie…

Was ist Tribologie?
Ganz grob: Bei Tribologie geht es um Reibung, Schmierung und Verschleiß. Damit beschäftigen sich Fachkongresse über Tage.

Sie kennen sich aus, haben Sie das studiert?

Ich habe Dolmetschen studiert, und für diesen Beruf ist vielseitiges Interesse eine unabdingbare Voraussetzung. Es fällt mir leicht, mich schnell in Branchen und neue Themen einzuarbeiten. Ich liebe meinen Beruf – Dolmetschen ist einfach meins.